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Dialog als Schlüssel zum Erfolg für die Qualitätsevaluierung in der dualen Ausbildung in Ecuador

Seit sieben Jahren setzt sich die Berufsbildungspartnerschaft Ecuador (BBP) für duale Ausbildung in dem lateinamerikanischen Land ein. In einem Gastbeitrag blickt sie auf Erfolge zurück – und beleuchtet mit der Ausbildungsqualität ein aktuelles Thema.

Dialog als Schlüssel zum Erfolg für die Qualitätsevaluierung in der dualen Ausbildung in Ecuador

Im Januar und Februar 2021 trafen sich die Akteure der dualen Ausbildung in Ecuador in einer virtuellen Diskussionsreihe, die von der Berufsbildungskurzmaßnahme der IHK Reutlingen (finanziert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) über die sequa gGmbH) veranstaltet wurde. Engagiert und motiviert diskutierten die zuständigen staatlichen Stellen, Kammern und Verbände, Betriebe, Auszubildende, Dozierende und Bildungsinstitutionen, was Qualität in der dualen Ausbildung bedeutet und wie man eine gelungene Ausbildung mit Indikatoren messen und evaluieren kann. Ziel der Diskussionsreihe war die gemeinsame Entwicklung von Qualitätskriterien für die duale Ausbildung in Ecuador in Zusammenarbeit und im Konsens zwischen öffentlichen und privaten Akteuren.

Sieben Jahre zuvor, im Frühjahr 2014, sahen die Gespräche noch ganz anders aus: In diesen ersten Monaten musste Lisa Pesendorfer, Langzeitexpertin der Berufsbildungspartnerschaft (BBP) Ecuador, bei ihren ecuadorianischen Projektpartnern noch Überzeugungsarbeit für die duale Ausbildung an sich leisten. Duale Ausbildung, die es seit über 100 Jahren in Deutschland gibt, wird durch Berufsbildungspartnerschaften durch das BMZ im Ausland gefördert. Ziel der BBP-Projekte ist es, Partnerländer durch die Förderung beruflicher Aus- und Weiterbildung unter Beteiligung der lokalen Wirtschaft, zu unterstützen. Die laut deutschem Berufsbildungsgesetz zuständigen Stellen wie Kammern und Verbände beraten dabei die Akteure vor Ort und stellen ihre Praxiserfahrung in der Implementierung der dualen Ausbildung zur Verfügung. In diesem Sinne, setzt sich die BBP gemeinsam mit ihren ecuadorianischen Partnerorganisationen für eine bedarfs- und praxisorientierte Berufsbildung im Land ein – zu Beginn mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) als deutschem Projektpartner und seit 2019 als Kurzmaßnahme in Kooperation mit der IHK Reutlingen. Der Ansatz der BBP Ecuador zielt auf die strategische und strukturell institutionalisierte Einbeziehung der Privatwirtschaft über Kammern und Verbände des Landes ab, die maßgeblich an der Entwicklung der Ausbildungen in Zusammenarbeit mit der SENESCYT (Sekretariat für höhere Bildung, Wissenschaft, Technologie und Innovation) beteiligt sind und zudem die Koordination der Ausbildungen übernehmen.

In den sieben Jahren der BBP Ecuador konnten knapp zehn duale Ausbildungen nach deutschem Vorbild eingeführt werden. Diese Ausbildungen werden von den ecuadorianischen Partnern inzwischen selbstständig implementiert und sind von den zuständigen nationalen Stellen anerkannt. Die Absolvent*innen erhalten damit einen ecuadorianischen Abschluss („tecnico superior“ oder „tecnologo superior“) und durch DIHK und AHK ein privatrechtliches Zertifikat ihrer deutschen Referenzausbildung. Absolvent*innen der Ausbildungen in den Bereichen Industriemechanik, Kunststoff- und Kautschuktechnik, Schuhfertigung, Textilproduktion, bis hin zur Holzmechanik arbeiten bereits als Fachkräfte in ihren Ausbildungsunternehmen.  In einem Land mit hoher Jugendarbeitslosigkeit ermöglicht die praxisnahe duale Ausbildung den Jugendlichen, nach ihrem Abschluss eine feste Anstellung zu finden. Nach einer Umfrage der BBP aus dem Jahr 2019 wurden 80% der Auszubildenden von ihrem Betrieb nach der Ausbildung übernommen. 

Aktuell absolvieren rund 600 Auszubildende in 130 hauptsächlich ecuadorianischen Ausbildungsbetrieben aller Größen, eine duale Ausbildung nach deutschem Vorbild. Daher rückt jetzt die Frage nach der Anwendung einheitlicher Qualitätskriterien immer stärker in den Vordergrund, weshalb sich die sechs Diskussionsforen um dieses Thema drehten: Nicht nur wurde der Entwurf des Evaluierungsmodells der zuständigen ecuadorianischen Behörde für Berufsschulen, dem ecuadorianischen Rat für Qualitätssicherung in der höheren Bildung (CACES), unter Beteiligung von Referentinnen der Hessischen Lehrkräfteakademie diskutiert, auch wurden die Zuständigkeiten für Qualitätsevaluierung auf den verschiedenen Ebenen des dualen Ausbildungssystems in Ecuador sondiert.

Deutsche duale Berufsausbildung als Referenzmodell

Das deutsche Modell diente dabei als wichtiger Erfahrungshorizont, der den ecuadorianischen Partner*innen Ideen und Expertise für die Ausarbeitung der eigenen Prozesse bietet. Im ersten Forum war so Ilona Medrikat vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) als Keynote-Speakerin eingeladen, einen Gesamtüberblick über die Elemente und Ebenen des Qualitätsevaluierungssystems in Deutschland vorzustellen. Der Vortrag lieferte Impulse, die im Anschluss unter den rund 60 ecuadorianischen Teilnehmenden in Bezug auf mögliche Adaptionen für das ecuadorianische Modell diskutiert wurden. Besondere Aufmerksamkeit galt dabei dem Hauptausschuss des BIBB sowie den elf Säulen der Qualitätsevaluierung.

Weitere Diskussionsimpulse und unterschiedliche Perspektiven auf das Thema Qualität in der dualen Ausbildung wurden durch Vertreter*innen verschiedenster Organisationen eingebracht, die in der dualen Ausbildung auf nationaler und internationaler Ebene aktiv sind, wie die AHK Ecuador, die Internationale Arbeitsorganisation (IAO) und die Corporación Formados, eine Organisation aus ecuadorianischen Kammern und Verbänden, die sich für duale Ausbildung einsetzt und 2018 mit der Unterstützung der BBP Ecuador gegründet wurde. Ergänzend gaben Interviews mit Auszubildenden und Absolvent*innen Einblicke in ihre Erfahrungen und Empfehlungen für die Qualitätskontrolle in der schulischen und betrieblichen Ausbildung.

Als wichtiges Ergebnis der Diskussionsforen kann festgehalten werden: Der kontinuierliche Dialog zwischen den Akteuren der dualen Ausbildung ist der Schlüssel zum Erfolg eines Qualitätsevaluierungssystems. So zog CACES aus den Diskussionsforen wichtige Rückschlüsse für die Entwicklung seines Evaluierungssystems: Die verschiedenen Perspektiven der Expert*innen und Teilnehmenden halfen der Institution, einen ganzheitlichen Blick auf das duale Ausbildungssystem zu erhalten und dies in ihrem Evaluierungssystem zu spiegeln. So wurden beispielsweise die lokalen Kammern und Verbände in das Evaluierungssystem miteinbezogen – ein Novum für Ecuador. Denn weiterhin bleibt es ein wichtiges Ziel, die entscheidende Rolle von Kammern und Verbänden in der dualen Ausbildung anzuerkennen und sie bei der Strukturierung des nationalen Systems durchgehend einzugliedern. 

Die Teilnehmenden der Diskussionsforen waren sich einig, weiter über die Strukturen und Zuständigkeiten der Akteure im Hinblick auf Qualität zu diskutieren und die in den Foren gemeinsam ausgearbeiteten Kriterien und Indikatoren in der schulischen und betrieblichen Ausbildung zu implementieren. Da ein kontinuierliches Evaluierungssystem in den meisten Unternehmen derzeit noch fehle, sei dies eine der aktuellen Herausforderungen der dualen Ausbildung in Ecuador und einer der Aufträge für die Corporación Formados sowie das Kammer- und Verbandssystem.

In der Definition dieses Systems und auch in allen weiteren Themen rund um die Stärkung der dualen Ausbildung möchte die Corporación Formados ihre federführende Rolle weiter ausbauen. Bis zum Projektende der BBP im Mai 2021 soll sie in ihrer Führungsrolle als privat-sektorielle Interessensvertretung für duale Berufsausbildung in Ecuador weiter gefestigt werden. Damit möchte die BBP in ihren verbleibenden Monaten entscheidende Weichen legen, um die duale Ausbildung in Ecuador nachhaltig institutionell und strukturell zu stärken. Außerdem begleitet sie dazu die politischen Diskussions- und Entscheidungsprozesse des neu gegründeten öffentlich-privaten Ausschuss für duale Ausbildung. Hier sollen die Diskussionen rund um das Thema Qualität in der dualen Ausbildung kontinuierlich fortgeführt werden, um gemeinsame Entscheidungen zu Stand und Weiterentwicklung des ecuadorianischen dualen Systems und seiner Evaluierung zu treffen und umzusetzen.