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Besuch ghanaischer Delegation – ein Meilenstein in der deutsch-ghanaischen Berufsbildungskooperation

04.10.2022

Mit der Delegation rund um die ghanaische Vize-Bildungsministerin Gifty Twum-Ampofo hatte das BIBB hochrangigen Besuch – er kennzeichnet und wertschätzt die erfolgreiche Kooperation, die GOVET für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in Ghana beratend begleitet.

Besuch ghanaischer Delegation – ein Meilenstein in der deutsch-ghanaischen Berufsbildungskooperation

Während des einwöchigen Studienbesuchs der ghanaischen Delegation stand im Fokus, tiefer in die Fachthemen Berufsbildungsberichterstattung, Berufsbildungsforschung und Monitoring sowie das duale Ausbildungssystem einzusteigen. Vor dem Hintergrund umfassender Weiterentwicklungsprozesse im ghanaischen Berufsbildungssystem gehörten die wichtigsten Repräsentantinnen und Repräsentanten der führenden staatlichen TVET-Einrichtungen Ghanas zu den Teilnehmenden der Delegation. Neben weiteren Vertretenden des Bildungsministeriums, wie dem Chief Director Divine Yao Ayidzoe, nahmen zwei Vertreterinnen des TVET Service, darunter die Director General Mawusi Awitty, und mehrere Vertretende der Commission for TVET mit dem Board-Vorsitzenden Nana Opoku Wereko-Ampim, dem Director General Dr. Fred Kyei Asamoah und weiteren Mitarbeitenden an dem Austausch teil. Die Studienreise ist in die bilateralen Kooperationsaktivitäten in der Berufsbildung zwischen dem ghanaischen Ministry of Education und dem BMBF eingebettet, die seit 2019 besteht.

In der feierlichen Begrüßung durch Ministerialrat Stefan Schneider, dem Abteilungsleiter für internationale Berufsbildungskooperation und Erasmus+ im BMBF, und Prof. Dr. Hubert Ertl, Vizepräsident und Forschungsdirektor des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), wurde die Bedeutung des Besuchs der 14-köpfigen Delegation hervorgehoben. Seit 2019 unterhalten das Ministry of Education in Ghana und das BMBF eine bilaterale Kooperation in der Berufsbildung, mit der fachlich an die bestehenden Vorhaben aus der Entwicklungszusammenarbeit angeknüpft werden konnte. Die Vize-Bildungsministerin unterstrich die Bedeutung der bisherigen Ergebnisse der Zusammenarbeit, allen voran die Unterstützung von GOVET bei der Erstellung des ersten ghanaischen Berufsbildungsberichts. Sie überreichte Ministerialrat Schneider und Prof. Ertl eine Kopie des Berichtes, verbunden mit dem Wunsch die fruchtbare Kooperation weiterzuführen und thematisch auszuweiten.

Der erste Auswärtstermin führte die Delegation ins erst kürzlich renovierte Carl-Reuther-Berufskolleg Hennef. Schuldirektor Thomas Heußner und das Kollegium boten der Delegation einen umfassenden Einblick in das Bildungsangebot des Berufskollegs, die Lernortkoordination zwischen Schule, Betrieb und Kammer, sowie Methoden des praktischen Lernens. Gegründet wurde das Berufskolleg vor über 120 Jahren vom Unternehmer Carl Reuther, der schon damals den Bedarf an qualifizierten Fachkräften für sein Unternehmen erkannte und die Schule gründete. Beeindruckt zeigten sich die Besucherinnen und Besucher aus Ghana auch von dem sozialen Engagement der Schule, keine Schülerin und keinen Schüler auf dem Weg in den Beruf zu verlieren.

Auch bei der Gemeinschaftslehrwerkstatt (GLW) der Industrie- und Handelskammer (IHK) Bonn/Rhein-Sieg wurde dieses Engagement deutlich, diesmal aus der Perspektive der Wirtschafts- und Sozialpartner. Als überbetriebliche Lehrwerkstatt wurde die GLW 1966 gegründet, um die Mitgliedsunternehmen der IHK bei der Ausbildung zu unterstützen. Viele Unternehmen senden ihre Auszubildenden und Mitarbeitenden für Grund- und Fortbildungskurse für die ersten vier bis sechs Ausbildungsmonate zur GLW. Jürgen Hindenberg, Geschäftsführer der IHK Bonn/Rhein-Sieg stellte als Verantwortlicher für Berufsbildung und Fachkräftesicherung die Bedeutung der Kammern als kompetente Stellen im deutschen Berufsbildungssystem heraus. Gleichzeitig unterstrich er, dass das Kammerwesen in jedem Land unterschiedlich aufgestellt sei und jeweils individuelle, nationale und lokale Lösungen für die Aufgabenverteilungen gefunden werden müssten.

Ein Besuch bei der Kuhne Group in St. Augustin komplettierte den Einblick in das duale Ausbildungssystem. Ergänzend zu Berufsschule, überbetrieblicher Ausbildungsstätte und Kammer, lernten die Delegationsteilnehmenden hier die Perspektive eines etablierten Ausbildungsbetriebes kennen, der sich seit 85 Jahren in der Berufsbildung engagiert. Geschäftsführer Felix Kuhne stellte die Hauptgeschäftsbereiche – Maschinen- und Anlagenbau von kunststoffverarbeitenden Maschinen und Herstellung von Folien und Kunststoffen – vor. Gemeinsam mit Auszubildenden und dem Leiter der gewerblich-technischen Ausbildung André Eich konnte die Delegation bei einer Werksbesichtigung auch die praktischen Abläufe der Ausbildung im Betrieb erleben.

Neben dem Kennenlernen des dualen Berufsbildungssystems in der Praxis standen die Fachthemen Berufsbildungsforschung, Berichterstattung und Monitoring im Fokus der Reise. Die Expertinnen und Experten der Fachbereiche des BIBB gaben Einblicke in Ihre Arbeitsfelder und Projekte, um die vielfältigen Forschungsaktivitäten des BIBB näher zu bringen.

  • Heike Gasper, Annett Friedrich und Max Müller-Wegner berichteten zu der Koordination der BIBB Forschungsaktivitäten, der Entwicklung der Themencluster und des Jahresforschungsprogramms sowie das Forschungsdatenzentrums des BIBB.
  • Michael Friedrich referierte zum BIBB Datenreport und bot umfassende Einblicke in die Aufbereitung von Daten und Statistiken.
  • Luca Jelic stellte das ASCOT+ Projekt zur Kompetenzfeststellung vor und stellte die bereits entwickelten Pilotvorhaben vor.
  • Dr. Gesa Münchhausen präsentierte den aktuellen Stand der integrierten Weiterbildungsberichterstattung (iWBBe) und gab wertvolle Hinweise zum Umgang mit unterschiedlichen Datenquellen.
  • Kathrin Weis beleuchtete das BIBB Qualifizierungspanel, eine jährliche Befragung von knapp 4.000 Betrieben zu ihren Aus- und Weiterbildungsaktivitäten.
  • Michael Schwarz stellte die Erfahrungen aus dem Beratungsprozess in Vietnam zum Thema TVET Reporting vor.
  • Guido Kirst berichtete zu den vielfältigen Berufsorientierungsmaßnahmen in Deutschland und aktuellen Herausforderungen.

Mit einem Besuch beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln wurde der Einblick in die Forschungslandschaft der Berufsbildung abgerundet. Prof. Dr. Hubertus Barth, Geschäftsführer des IW, stellte die Forschungsaktivitäten des Instituts und das BQ Portal als Informations- und Unterstützungsplattform zur Anerkennung ausländischer Qualifikationen vor.

Ein weiteres Highlight war der Austausch mit deutschen Bildungsanbietern, organisiert vom BIBB-Arbeitsbereich iMOVE – Training made in Germany. Häufig stehen in diesem Kontext Finanzierungsfragen an erster Stelle. Die Teilnehmenden setzten sich aber, auch mit Blick auf die Eindrücke der Woche, vor allem mit inhaltlichen Fragen zur stärkeren Einbindung der Wirtschaft in die Berufsbildung auseinander und sondierten mit den Anbietern Unterstützungsmodelle aus der Bildungswirtschaft.

Im von GOVET moderierten Abschlussworkshop wurde deutlich, dass besonders die Beteiligung der Wirtschaft Eindruck auf die Delegationsteilnehmenden gemacht hatte. Für den Aufbau eines dualen Systems in Ghana wird es eine Herausforderung sein, die lokalen Unternehmen zu überzeugen. Darüber hinaus müssen Rollen und Verantwortlichkeiten der involvierten Akteure auf staatlicher und privatwirtschaftlicher Seite für Ghana bedacht werden. So sind auch Unternehmensverbände bisher kaum in TVET involviert.

Als beispielhaft hoben die ghanaischen Gäste zudem die vielfältige Forschungslandschaft und die zahlreich vermittelten Methoden und Ansätze zur Datenerhebung und Auswertung hervor. Deutlich wurden auch die Finanzierungsmechanismen in der deutschen Berufsbildungsforschung: Die meisten Forschungsvorhaben im BIBB finanzieren das BMBF oder andere Bundesressorts. Daneben nahmen die TVET-Expert*innen aus Ghana die Modelle der Zusammenarbeit mit anderen Forschungsinstituten oder Universitäten als besonders wegweisende Impulse wahr.

Im Abschlussworkshop wurden neben großer Wertschätzung für die Studienreise eine Reihe nächster Schritte in der bilateralen Kooperation festgehalten, z. B. eine Weiterführung des Expert*innenaustausches zwischen BIBB und den TVET Institutionen in Ghana oder Schritte zur Sondierung der Ausbildungsbereitschaft ghanaischer Unternehmen.