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Fachkräftemangel in der Wasser- und Abwasserwirtschaft – eine weltweite Herausforderung

12.12.2022

Wasser ist ein lebenswichtiger Rohstoff, ein Menschenrecht. Im Kontext der globalen Fachkräftesicherung für die Schlüsselressource Wasser waren Multiplikatorinnen aus Subsahara-Afrika zu einer Expertenreise rund um die Aus- und Weiterbildung in der (Ab-)Wasserwirtschaft in Deutschland.

Fachkräftemangel in der Wasser- und Abwasserwirtschaft – eine weltweite Herausforderung
Der Study Visit in der betrieblichen Praxis: Wasserprobeentnahme in der Kläranlage Bonn-Duisdorf

Vor dem Hintergrund zunehmender weltweiter Wasserknappheit haben GOVET und BIBB im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) Wasserfachleute aus Afrika zum Expertenaustausch im Rahmen eines hochkarätigen Study Visits nach Deutschland eingeladen. In vielen Ländern des afrikanischen Kontinents gibt es Wasserministerien oder Agenturen für Wasser und Kläranlagen, die als Private Public Partnership organisiert sind. Qualifizierte Facharbeiter*innen, um betriebliche Abläufe und die Instandhaltung im Bereich der (Ab-)Wasseraufbereitung zu sichern, fehlen aber flächendeckend. Die Aus- und Weiterbildung für Berufe in der Abwasser- und Wasserwirtschaft stand entsprechend im Fokus der 19 Teilnehmenden aus den BMBF-Partnerländern Ghana und Südafrika sowie aus Kenia, Tansania, Sambia und Namibia. Im November 2022 besuchten sie einschlägige Best Practice-Stationen in der Region Köln/Bonn und dem Ruhrgebiet und tauschten sich mit Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Forschung aus.

Mehr als zwei Drittel der Erde sind von Wasser bedeckt, davon nur weniger als drei Prozent auch trinkbar. Und dieses Trinkwasser ist zudem sehr ungleich verteilt. Besonders in Afrika, Lateinamerika und Asien herrscht bereits heute vielerorts dramatische Wasserknappheit oder Wasserunsicherheit.

Quelle: UNICEF

Globale Herausforderungen in der Wasserwirtschaft

Spätestens seit den Sommer-Hitzewellen der vergangenen Jahre wurde den Deutschen gleichermaßen vor Augen geführt, dass der Zugang zu Trinkwasser nicht selbstverständlich ist. Fachkräften, die Qualität, Reparatur und Wartung der Infrastruktur und Entsorgung sichern, kommt auch in Deutschland eine besondere – ja systemrelevante – Bedeutung zu.

Hier kommen elementare Fragen für die Berufsbildung von globaler Relevanz zusammen: Wie lassen sich Elemente einer praxisorientierten beruflichen Bildung planen und aufsetzen, Curricula entwickeln? Wie lässt sich moderne Wassertechnologie in den ländlichen Raum nachhaltig und ressourcenschonend bringen? Aus den Experten-Inputs und Stationen des Study Visits konnten die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus Subsahara-Afrika wichtige Impulse und Know-How zu diesen Fragen mitnehmen.

BIBB-Expertin Dr. Stephanie Conein zum Neuordnungsverfahren der umwelttechnischen Berufe

Aspekte, die auch auf Ebene der Ausbildungsordnungen der entsprechenden Berufsbilder eine zentrale Rolle spielen. Insbesondere vor dem Hintergrund der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) und einer Arbeitswelt 4.0 sind bei diesen Berufen eine zukunftsorientierte Berücksichtigung der Digitalisierung (hinsichtlich kritischer Infrastruktur) und Nachhaltigkeit (hinsichtlich Ressourcenschonung und Klimawandel) besonders relevant. Aus diesem Grund befinden sich die sogenannten umwelttechnischen Berufe aktuell in einem komplexen Neuordnungsverfahren. Demnächst werden angehende Umwelttechnolog*innen für Trinkwasserversorgung, Umwelttechnolog*innen für Abwasserbewirtschaftung, Umwelttechnolog*innen für Kreislauf- und Abfallwirtschaft und Umwelttechnolog*innen für Rohrleitungsnetze und Industrieanlagen die bisherigen Berufsbilder aktualisieren. Dr. Stephanie Conein (BIBB) gab der Delegation Einblicke in das Ordnungserfahren und wies im Zusammenhang mit dem bestehenden Fachkräftemangel auch auf die deutliche Unterrepräsentanz von Frauen im Berufsfeld hin.

Einblicke in die betriebliche Ausbildungspraxis

Expertise aus der betrieblichen Praxis erhielten die afrikanischen Gäste von den zahlreichen Einblicken in Wasser- und Abwasserwirtschaftsbetriebe und Ausbildungszentren in der Großregion Bonn/Köln/Ruhrgebiet. Der theoretische Input und die Herausforderungen der Nachwuchskräfteausbildung sowie mögliche Lösungsansätze wurden anschaulich mit dem direkten Blick in die Prozesse und Technologien der Betriebe – beispielsweise in der Bonner Kläranlage oder im Hans-Schwier-Berufskolleg Gelsenkirchen.

Kanal-Monitoring: In vielen Ländern Afrikas gibt es Fahrzeuge, aber nicht ausreichend Fachkräfte, die sie bedienen und warten können.

Als Berufsschule für u. a. Wasserversorgungstechnik und Fachschule für Umweltschutztechnik unterrichtet das Hans-Schwier-Berufskolleg landesweite Fachklassen. Die Begegnung zwischen den Auszubildenden und den afrikanischen Fachleuten ermöglichte einen intensiven Austausch zur Wasserversorgung in den jeweiligen Ländern. Ähnliche Anknüpfungspunkte ergaben sich bei der Besichtigung eines Spezialfahrzeugs für Kanalinspektionen mit angehenden Fachkräften für Rohrleitungsnetze. Das Essener Bildungszentrum der Ver- und Entsorgungswirtschaft (BEW) gab Einblicke in das Weiterbildungsangebot im Rahmen der umwelttechnischen Berufe.

Wie Wasserver- und Entsorgung in der Praxis aussieht und wie Berufsbildung dort funktioniert, zeigten Gelsenwasser in Haltern und Klärwerke in Bonn Duisdorf und Köln Weiden. Dem Fachkräftemangel begegnen die Klärwerk-Leitungen offensiv mit Schüler*innen-Praktika und der Förderung von jungen Frauen in den Fachberufen. Bei Gelsenwasser in Haltern werden auch Besuche für Schulklassen angeboten, um die Faszination für die umwelttechnischen Berufe zu wecken. Auch die afrikanische Delegation zeigte sich vom großen Einzugsgebiet für die Wassergewinnung beeindruckt.

In die virtuellen Realitäten des Wassermanagement tauchten die Teilnehmenden interaktiv bei der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser u. Abfall e.V. (DWA) ein und hatten im Anschluss Gelegenheit über die iMOVE-Initiative mit Bildungsanbietern im Rahmen eines Round Tables über kommerzielle Produkte und Dienstleistungen in dem Sektor zu diskutieren. Beim „Perfekten Besuch“, wie der Rundgang auf dem WILO Industrie 4.0-Gelände in Dortmund, heißt, lernte die Delegation ein weltweit erfolgreiches Unternehmen im Bereich Pumpenbau kennen. Die 2011 gegründete WILO Foundation engagiert sich u. a. in afrikanischen Ländern mit Wasserprojekten, bildet Menschen in ländlichen Regionen aus und baut in Zusammenarbeit mit Organisationen vor Ort Anlagen zur Wasserreinging und Abwasserentsorgung. Auszubildende hatten den Besuch für die Delegation organisiert, Projektmanager gaben Einblick in technische Anlagen, die auch in schwierigen Umweltbedingungen funktionieren und von entsprechend qualifiziertem Personal gewartet werden können. Ein weiteres Mal wurde die globale Wichtigkeit der systemrelevanten Berufe im Bereich der Wasserwirtschaft für die Zukunft deutlich.

Mit dem hochkarätigen Study Visit für die Multiplikatorinnen und Multiplikatoren aus Subsahara-Afrika ist es gelungen, praktische und konzeptionelle Impulse zur Umsetzung und Neustrukturierung der Ausbildung im Bereich Wasser in den jeweiligen Ländern zu geben und die globale Vernetzung der Expertinnen und Experten untereinander zu stärken. GOVET wird den kollegialen Dialog auch im nächsten Jahr fachlich unterstützen.