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Berufsorientierung international

Neues Format: Erstes Fachseminar im Rahmen des Runden Tisches für internationale Berufsbildungszusammenarbeit

Welche Rolle spielt Berufsorientierung national wie international, welche Konzepte haben sich bewährt und was bedeutet das für die internationale Kooperation? Darüber diskutierten die Akteure des Runden Tisches für internationale Berufsbildungszusammenarbeit im ersten GOVET-Fachseminar.

Berufsorientierung international

Die Lage am Ausbildungsmarkt während der COVID-19-Pandemie hat es gezeigt: Wenn Berufsorientierung eingeschränkt wird, fehlen wichtige Impulse für das Geschehen in der dualen Berufsbildung. Deshalb, so Alexander Hochradel, der für das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) in die virtuelle Veranstaltung einführte, investieren Bund und Länder einen großen Anteil der für die Berufsbildung vorgesehenen Mittel in die Berufsorientierung. Er demonstrierte dies anhand der Palette von Maßnahmen des BMBF, allen voran dem Berufsorientierungsprogramm (BOP) und dem jüngst im BIBB etablierten Berufenavi, die beide vom BIBB betreut werden.

Im Rahmen des Fachseminars diskutierten die Akteure des Runden Tisches zusammen mit den geladenen Expert*innen Beispiele gelungener Berufsorientierungsmaßnahmen aus dem In- und Ausland. Dabei untersuchten sie die „Best Practice“, um Erfolgsfaktoren und Gelingensbedingungen zu identifizieren und wichtige Impulse für ihre internationale Kooperation in der Berufsbildung zu erhalten. Es zeigte sich dabei, dass Instrumente, die sich in Deutschland bewährt haben, auch international regelmäßig zum Einsatz kommen.

Best Practice in der internationalen Berufsbildungskooperation

Gut sichtbar ist das in der Entwicklungszusammenarbeit der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), wo Berufsorientierungsmaßnahmen sich als Schlüsselmaßnahme bewähren und eine immer größere Rolle spielen. Durch Politikberatung, Kooperation zwischen Schulen und der Wirtschaft sowie durch Qualifizierung von Lehrkräften und Berufsberater*innen werden sie gezielt gefördert – etwa indem die Integration von Berufsorientierung in Curricula und in außerschulische Aktivitäten erfolgt. Schülerinnen und Schüler werden so proaktiver und besser über Berufsmöglichkeiten informiert und beraten.

Ein wirksames Instrument, das auch in internationalen Projekten zum Einsatz kommt, sind Potentialanalysen, die insbesondere in Kombination mit einem persönlichen Gespräch die Motivation der Jugendlichen steigern (z. B. Profiling des bbw, siehe TOOLBOX). Eine Interventionsstudie des BIBB belegt dies; Reflexionsprozesse haben demnach im Kontext von Berufsorientierungsangeboten eine hohe Bedeutung, benötigen aber auch eine nachhaltige Begleitung im Nachgang.

Auch im europäischen Raum spielt die Berufsorientierung zur Reduzierung des Fachkräftemangels, aber auch der Jugendarbeitslosigkeit, eine große Rolle. In Italien gibt es beispielsweise (u. a.) in Kooperation mit deutschen Akteuren wie dem Goethe-Institut verschiedene Projekte im Bereich des Übergangs von der Schule in den Beruf. In Russland wird der Berufsorientierung seit einigen Jahren ebenfalls eine Schlüsselrolle zugesprochen. Ein besonderer Schwerpunkt liegt hier auf der Verbesserung des Images der Berufsbildung, das traditionell bedingt noch dem einer akademischen Ausbildung nachhinkt. GOVET ist seit vielen Jahren im intensiven Austausch mit (u. a.) Italien und Russland zur Berufsbildung, mit starkem Fokus auch auf die Berufsorientierung.

Berufsorientierung in Deutschland

In Deutschland bietet unter anderem die Bundesagentur für Arbeit (BA) zahlreiche Aktivitäten zur Berufsinformation und –beratung, dazu zählen umfangreiche – vor allem digitale – Unterstützungsmöglichkeiten für die Berater*innen und Jugendlichen. Auch die Bundesländer fördern Maßnahmen der Berufsorientierung, die regional zum Tragen kommen, um bestmögliche Chancen und Synergien von jungen Menschen auf Berufssuche und der örtlichen Wirtschaft zu schaffen (z. B. „Kein Abschluss ohne Anschluss“, siehe TOOLBOX).

TOOLBOX Instrumente, Konzepte, Projekte zur Berufsorientierung

  • Die Berufsorientierungsmaßnahmen der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) können beispielhaft an Projekten in Ägypten, Serbien und Kosovo nachvollzogen werden.
  • Das stärken- und arbeitsmarktorientierte Profiling-Konzept des Bildungswerks der Bayerischen Wirtschaft (bbw) koppelt Potenzialanalysen mit biographischen Interviews inklusive Selbstevaluation. Der Profiling-Prozess wird von geschulten Lehrkräften beobachtet und begleitet.
  • Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bietet mit dem Erkundungstool für Ausbildung und Studium Check-U und der App AzubiWelt zur Ausbildungssuche hilfreiche Berufsorientierungstools.
  • Die Aktivitäten des Goethe-Instituts in Italien geben hilfreiche Orientierung: Im Ideenwettbewerb Unternehmen Deutsch und dem wandernden Experimentierparcours Go 4 MINT lernen die Schüler*innen ihren heimischen Wirtschaftsraum und einzelne Unternehmen kennen und sammeln praktische Erfahrungen. Das innovative Netzwerk-Projekt StartNet bringt Institutionen, Unternehmen und Jugendvertreter*innen an einen Tisch, um gemeinsam ein funktionierendes System für den Übergang von der Schule in den Beruf zu schaffen.
  • Die NRW-Landesinitiative Kein Abschluss ohne Anschluss (KAoA) wird regional in den kommunalen Koordinierungsbüros der Kreise und kreisfreien Städte umgesetzt (z. B. im Rheinisch-Bergischen Kreis. Besonders wichtig für den Erfolg der Initiative ist die Verantwortungsgemeinschaft der Akteure und Partner vor Ort, der regionale Gestaltungswille und die Einbeziehung der regionalen Rahmenbedingungen bei der Umsetzung der Standardelemente sowie die Wichtigkeit verbindlicher Personalressourcen auf Seiten der Schulen.

Fazit und Ausblick

Bei aller Heterogenität der Akteure und Instrumente in der Berufsorientierung sind viele gemeinsame Ansatzpunkte – die auch die Lebenswelt einbinden – erkennbar. Neben der Qualifizierung von Lehrkräften und Berater*innen sind das vornehmlich die Steigerung der Attraktivität beruflicher Ausbildung, die Initiierung von Motivations- und Reflexionsprozessen bei jungen Menschen, der Einsatz gendersensibler Unterrichtsmaterialien sowie Praktika und Elternarbeit. Wichtig ist, Berufsorientierungsangebote nie isoliert, sondern in einem ganzheitlichen Zusammenhang zu Umfeld und Rahmenbedingungen, Schule und späteren beruflichen Perspektiven und Möglichkeiten zu denken. Dabei spielen auch Partnerschaften und Mobilität eine bedeutsame Rolle. Eine Tatsache ist aber auch, dass Berufsorientierung trotz ihrer grundsätzlichen Neutralität immer die Balance und Passung zwischen individuellen Wünschen und der Realität am Arbeitsmarkt finden muss. Herausforderungen sind, wie so oft, die Finanzierung und Koordination von geeigneten Instrumenten, die Bereitstellung des notwendigen geschulten Personals und die Einbindung in die nationalen Bildungssysteme.

Mit über 40 Teilnehmenden und positivem Feedback hat sich das Format „Fachseminar“ am Runden Tisch für die internationale Berufsbildungszusammenarbeit bereits jetzt bewährt; weitere Seminare zu anderen Schwerpunktthemen sollen folgen.