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Weiterbildung in der internationalen Berufsbildungskooperation

Zweites GOVET-Fachseminar im Rahmen des Runden Tisches für internationale Berufsbildungszusammenarbeit

08.08.2022

Im Mittelpunkt des GOVET-Fachseminars stand der Austausch von Berufsbildungsakteuren über die Zielgruppen, die Finanzierung und die Zertifizierung internationaler Weiterbildungsaktivitäten, aber auch über den Nutzen und die Nachhaltigkeit solcher Maßnahmen.

Weiterbildung in der internationalen Berufsbildungskooperation

Ob in Deutschland oder anderswo – strukturell verankertes lebensbegleitendes Lernen steht mittlerweile in vielen Ländern auf der Agenda. Als ein zentrales Element rückt die Weiterbildung damit immer mehr in den Fokus. Vor dem Hintergrund beschleunigten technischen und wirtschaftlichen Wandels und des steigenden Bedarfs an gut ausgebildeten Fachkräften dient sie der Fachkräftesicherung aber auch der Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit und Entfaltung der individuellen beruflichen Entwicklungspotentiale. Sie kann Schlüssel für nachhaltige Entwicklung und den Erhalt der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft eines Landes sein.

Das Fachseminar brachte die Akteure des Runden Tisches und geladene Expert*innen erneut in den Diskurs – zu einem vertieften Verständnis der Weiterbildung in der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit. Ausgangsbasis des Austauschs waren Beispiele gelungener Weiterbildungsprojekte der deutschen Entwicklungs- und Berufsbildungszusammenarbeit. Die vorgestellten Praxisbeispiele fokussieren größtenteils auf Weiterbildungsangebote im Kontext aktueller globaler Querschnittsthemen der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit, wie Digitalisierung oder erneuerbare Energien.

Gute Praxis aus der Entwicklungszusammenarbeit

In seinem Beitrag über das Projekt "Berufliche Bildung für grüne Wirtschaftsentwicklung und Beschäftigung" der Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) berichtete Martin Studte, Projektkoordinator GIZ Brasilien, von der Einführung bedarfsorientierter Angebote im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung und der akademischen Qualifizierung in grünen Wirtschaftsbereichen Brasiliens, wie der Energie- und Kreislaufwirtschaft und der Bioökonomie. Im Rahmen des Projekts entwickeln die Projektpartner – u. a. das brasilianische Bildungsministerium, der Industrieverband SENAI und Universitäten – gemeinsam diese passgenauen Angebote auf Basis umfassender Bedarfsanalysen, jeweils unter Berücksichtigung der bereits vorhandenen Bildungs- und Förderstrukturen. In diesem Zusammenhang werden beispielsweise zertifizierte Schulungen zu Solarinstallateur*innen durch den Industrieverband SENAI angeboten und über eine Ausbildungsumlage für Industrieunternehmen (1% der gezahlten Lohnsumme) teilfinanziert. Zentral ist, dass auf diese Weise auch die Einbindung der Wirtschaft vor Ort gesichert ist. Ziel des Projekts ist die Verbesserung der Berufsperspektiven junger Menschen mit einem gleichzeitigen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung. Die Erfolge sind sichtbar: 75 Prozent der über 7.800 Absolvent*innen im Energiebereich haben eine Beschäftigung gefunden, rd. 42% davon im Bereich der erneuerbaren Energien. Von 2016 bis 2022 wurden zudem über 700 Ausbilder*innen im Energiebereich weitergebildet und 25 Millionen Euro Neuinvestitionen ausgelöst.

Hans-Ulrich Thalhofer, Geschäftsführer der Saar-Lor-Lux Umweltzentrum gGmbH der Handwerkskammer des Saarlandes (UWZ), zeigte anhand der Berufsbildungspartnerschaften mit Benin und Tansania auf, wie dort handwerkliches Know-How entwicklungsfördernd vermittelt und etabliert wird: Im Blended Learning-Format werden Orthopädie-Techniker*innen in Tansania  in Präsenz und orts- und zeitunabhängig in digitalen Kursen weitergebildet, die nach dem internationalen Standard der ISPO (International Society for Prosthetics and Orthotics) zertifiziert sind. In der Berufsbildungspartnerschaft mit Benin werden Elektriker*innen im Bereich Photovoltaik weitergebildet. Die Qualitätssicherung erfolgt auf Basis lokaler Zertifikate mit staatlicher Anerkennung. Hier konnten zwölf Ausbildungszentren für die Installation und Wartung von Solaranlagen eingerichtet und bereits 2.500 Handwerker*innen ausgebildet werden.

Gute Praxis der Sozialpartner

Wie Weiterbildung in einer der stärksten Volkswirtschaften Europas organisiert ist, berichtete Katrin Helber, Geschäftsführerin Dual.Concept der AHK Mailand. Auf Nachfrage der Unternehmen werden im Weiterbildungsangebot der AHK aktuelle Trends wie Digitalisierung und Industrie 4.0 aufgegriffen. Die Finanzierung erfolgt in der Regel durch die Unternehmen. Da die AHK Mailand in Italien akkreditiert ist, sind die von ihr ausgestellten Zertifikate national anerkannt. Sie werden aber nicht notwendigerweise auch nachgefragt: Vielen Unternehmen genügt die Qualifizierung ihres Personals durch die Weiterbildungsprogramme, zudem sind Arbeitnehmer*innen für eine „Prüfungssituation wie zu Schulzeiten“ nicht immer aufgeschlossen.

Wie sich Gewerkschaften im Bereich der Weiterbildung stärker engagieren können, um den Interessen von Arbeitnehmer*innen Geltung zu verschaffen, erläuterte Judy Morsa, Koordinatorin des Career Services beim Allgemeinen belgischen Gewerkschaftsbund Vlaams ABVV (Algemeen Belgisch Vakverbond). Sie stellte das Projekt „21+21, Learning inclusive. With the trade unions towards a transitional and career-oriented learning policy” vor, das sich im Kern für mehr Übergangs- und Karriereorientierung im Bereich der Aus- und Weiterbildung einsetzt. Umfragen unter Gewerkschafts- und Arbeitnehmer*innenvertretungen in Belgien zeigten, dass die Nutzung gewerkschaftlicher Strukturen und Beratungskompetenz ein großes Potenzial für die Stärkung der Weiterbildung hat. Sie führt beispielsweise zur besseren Inklusion von benachteiligten Gruppen. Im Fokus stehen die Beteiligung von Mitarbeitenden an Fortbildungsplänen und insbesondere das Lernen am Arbeitsplatz. In einem nächsten Schritt sollen Expertise und Beratungsstrukturen der Gewerkschaftsvertreter*innen gestärkt werden. Dabei stehen belgische und deutsche Gewerkschaften, die mit dem Projekt „Weiterbildung: Mentoren.Bilden.Zukunft“ einen ganz ähnlichen Ansatz verfolgen, im engen Austausch.

Fazit und Ausblick

Weiterbildung spielt bei der Fachkräfteentwicklung eine zunehmend zentrale Rolle in Deutschland wie in der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit Deutschlands. In den Partnerländern engagieren sich die deutschen Akteure bereits in einer Vielzahl erfolgreicher Förderungen. Das Fachseminar führte zu einem gewinnbringenden Austausch über die Erfolgsfaktoren und Herausforderungen von Weiterbildungsmaßnahmen und identifizierte dabei offene Themen und To-Dos für die internationale Kooperation: Im Sinne einer Effizienzsteigerung und der Nachhaltigkeit der Projekte sollte die Förderung noch besser abgestimmt und komplementärer werden. Hierzu gehört auch die weitere Verbesserung der Kooperationsstrukturen und Absprachen zwischen den deutschen Durchführungsorganisationen in gemeinsamen Partnerländern. Sinnvoll erscheint in diesem Zusammenhang häufig auch eine längere Laufzeit der Projekte und gleichermaßen die Unterstützung der Anerkennungsstrukturen in den Partnerländern (Systemberatung). Grundsätzlich sollte die berufliche Aus- und Weiterbildung bei allen internationalen Förderprojekten mitgedacht und eine Einbindung von Fort- und Weiterbildung in die Systeme der Partnerländer unterstützt werden. In einigen Partnerländern wird für die Finanzierung von Weiterbildung internationale Unterstützung benötigt.