BP:
 

Diversität in Costa Rica: Eine Chance für die Berufsbildung

Costa Rica gilt in Lateinamerika als Vorreiter für Inklusion und Diversität. Soziale Teilhabe und Chancengleichheit sind zentrale Elemente der costa-ricanischen Gesellschaft und das schlägt sich auch in der beruflichen Bildung des Landes nieder. Was kann Deutschland von Costa Rica lernen?

Regenbogenflagge und die Flagge Costa Ricas

Wie steht es eigentlich um die Themen Diversität und Inklusion in unseren GOVET-Partnerländern? Anlässlich des Pride-Monats haben wir den Blick nach Costa Rica gewandt, das bekannt ist für seine Vielfalt in der Natur – und wie man sehen kann auch der Gesellschaft.

Institutionelle Grundlagen für Diversität und Inklusion

Costa Rica hat frühzeitig die Bedeutung von Diversität erkannt: Bereits zu Beginn der 2000er-Jahre wurde mit dem „Consejo Nacional de Personas con Discapacidad“ (CONAPDIS) eine zentrale Einrichtung geschaffen, die sich für die Rechte von Menschen mit Behinderung einsetzt. Heute gelten in Costa Rica sowohl in der Privatwirtschaft als auch in öffentlichen Einrichtungen gesetzliche Quoten zur Beschäftigung von Menschen mit Einschränkungen.

Auch im Kontext der dualen Ausbildung ist die Inklusion rechtlich verankert: Menschen mit Behinderungen, Frauen, Mädchen, indigene Gruppen und andere vulnerable Personengruppen haben ein gesetzlich verankertes Recht auf Zugang zur Ausbildung. Die entsprechenden Akteure – von Betrieben bis zu Bildungseinrichtungen – sind verpflichtet, Maßnahmen zur Umsetzung zu ergreifen.

Hinweis: Dieses Video ist über den Youtube-Kanal des BIBB eingebunden.
Wenn Sie dieses Video hier abspielen, erfolgt eine Datenübertragung an Youtube
bzw. Google. Weitere Hinweise hierzu entnehmen Sie bitte unserer
Datenschutzerklärung.

Interview: Diversität in der Berufsbildung – Ein Blick nach Costa Rica

Im Interview mit dem GOVET-Redaktionsteam spricht Julia Olesen über den Stellenwert von Vielfalt im costa-ricanischen Ausbildungssystem. Welche institutionellen Grundlagen für Diversität und Inklusion hat das Land geschaffen? Wie werden Menschen mit Beeinträchtigungen in die Ausbildung integriert? Wie fördert das Land Frauen in technischen Berufen? Und wie gelingt es, indigene Gruppen und andere vulnerablen Personengruppen zu integrieren? Der Blick über den Tellerrand zeigt: Deutschland kann von Costa Rica einiges lernen, wenn es darum geht, Vielfalt als Stärke zu nutzen. Das Gespräch entstand anlässlich des Deutschen Diversity Tags im Mai 2025, der das Engagement für Vielfalt in unserer Gesellschaft sichtbar macht.

Frauen in technischen Berufen: Vorbildliche Fortschritte

Ein besonderes Augenmerk legen die costa-ricanischen Partnerinstitutionen auf die Förderung von Frauen in traditionell männerdominierten Berufen – insbesondere im technischen Bereich und in der IT. Die Zahlen sprechen für sich: Rund 50 Prozent der dual Ausgebildeten in Costa Rica sind weiblich und das ist ein großer Erfolg im Vergleich zu vielen anderen Ländern, auch zu Deutschland.

Erreicht wurde dies durch gezielte Maßnahmen:

  • Ansprache von Mädchen bei der Ausbildungswahl,
  • Schaffung weiblicher Rollenmodelle,
  • Bewusste paritätische Besetzung von Arbeitsgruppen und Kommissionen.

Ein eindrückliches Beispiel bietet das nationale Weiterbildungsinstitut INA (Instituto Nacional de Aprendizaje), das jungen Frauen, die durch frühe Mutterschaft zunächst aus dem Bildungssystem herausgefallen waren, durch die duale Ausbildung einen neuen Karriereweg eröffnet.

Offene Gesellschaft mit Herausforderungen

Costa Rica ist eine offene und diverse Gesellschaft – ein Faktor, der die Umsetzung inklusiver Berufsbildung erleichtert. In Gesprächen mit dem Bildungsministerium und weiteren Partnern wurde deutlich, wie selbstverständlich Diversität in der Alltagspraxis mitgedacht wird.

Gleichwohl stehen dem Land gesellschaftliche Herausforderungen gegenüber: Migration, politische Polarisierung und die strukturelle Benachteiligung marginalisierter Gruppen.

Ein kritischer Punkt bleibt die Qualifizierung des Ausbildungspersonals im Bereich Inklusion. Trotz der rechtlichen Vorgaben fehlen bislang umfassende Fortbildungsangebote für Ausbilderinnen und Ausbilder in den Betrieben sowie Lehrkräfte in den Schulen. Eine systematische Verankerung inklusiver Pädagogik steht noch aus, auch wenn der Wille zum Wandel vorhanden ist.

Was Deutschland von Costa Rica lernen kann

Die bilaterale Zusammenarbeit im Auftrag des deutschen Bildungsministeriums zeigt deutlich: Costa Rica bietet viele Lernimpulse für Deutschland. So ist es Costa Rica gelungen, den Gender Gap in MINT-Berufen messbar zu verringern. Die Anwendung von Quotenregelungen – etwa beim Start neuer Ausbildungsklassen – hat nach Ansicht der Partnerinnen und Partner maßgeblich zur Gleichstellung beigetragen.

Diese praktischen Erfolge basieren auf gesellschaftlicher Offenheit und mutigen politischen Entscheidungen. Die sind Aspekte, von denen auch das deutsche Berufsbildungssystem lernen und profitieren kann.

Costa Rica zeigt eindrucksvoll, wie sich Diversität und duale Berufsbildung erfolgreich verbinden lassen. Rechtliche Verpflichtungen, institutionelle Unterstützung und gesellschaftliches Engagement bilden dabei das Fundament. Trotz noch bestehender Herausforderungen, etwa in der Ausbildung des Fachpersonals, bietet das costa-ricanische Modell wertvolle Impulse – insbesondere im Hinblick auf Inklusion und Geschlechtergerechtigkeit in technischen Berufen.