Dynamik und Erfolg: Duale Ausbildung in Costa Rica
Costa Rica setzte im Jahr 2024 den Fokus darauf, die duale Ausbildung in Wirtschaft und Gesellschaft weiter zu verankern. GOVET tauschte sich sehr regelmäßig mit den costa-ricanischen Partnern fachlich aus, um Maßnahmen für die Umsetzung ihrer Ziele zu entwickeln.

In Costa Rica können sich junge Menschen seit fast drei Jahren für eine duale Berufsausbildung entscheiden. Anfang 2022 starteten die ersten dualen Berufsbildungsprogramme des Bildungsministeriums (Ministerio de Educación Pública, MEP) und des nationalen Weiterbildungsinstituts (Instituto Nacional de Aprendizaje, INA). GOVET arbeitet im Auftrag des BMBF mit beiden Partnern zusammen. Die ersten 34 Auszubildenden begannen damals ihre Ausbildung in den Fachrichtungen Industrieelektronik, Webentwicklung und Industrielle Wartung und Instandhaltung bei insgesamt sieben Unternehmen.
Seitdem ist das Angebot an Ausbildungsgängen und die Zahl der Auszubildenden stetig gewachsen. Das Land zeigt zum Ende des Jahres 2024 große Fortschritte in der Implementierung seiner dualen Berufsbildung und diese lassen sich anhand von Zahlen belegen:
- Das INA arbeitet mit 99 Unternehmen zusammen, das MEP mit 27.
- Insgesamt 335 Personen haben ihre Ausbildung bereits abgeschlossen.
- Knapp 200 Personen befinden sich derzeit in einer Ausbildung.
Das Portfolio an Ausbildungsberufen wurde bei beiden Institutionen erweitert: Das INA verfügt zu Beginn des Jahres 2025 über 26 verschiedene Programme, das MEP über acht bis zehn Programme. Davon befinden sich jedoch nicht automatisch alle in der Implementierung, da dies in Abhängigkeit von der Nachfrage durch Unternehmen und den Umsetzungsmöglichkeit in Ausbildungszentren geschieht.
Beide Institutionen erwarten für das Jahr 2025 einen signifikativen Anstieg an Ausbildungszahlen.
Ausbildungsbereitschaft – eine Herausforderung für die duale Ausbildung in Costa Rica
Eine Herausforderung für Costa Rica bleibt es jedoch, mehr Betriebe davon zu überzeugen, eine duale Ausbildung anzubieten. Denn die duale Ausbildung stellt für Unternehmen ein neues und unbekanntes Themenfeld dar, und das bringt Unsicherheiten mit sich. Darüber hinaus werden Aufwände und Investitionen als Hürde gesehen. Um Zweifeln auf Seiten der Unternehmen zu begegnen, ist gezielte Informationsarbeit wichtig. Die Unterstützung bei der Netzwerkarbeit mit Unternehmen stellte somit einen Schwerpunkt der bilateralen Kooperation im Jahr 2024 dar.
Im Rahmen regionaler Veranstaltungen für Unternehmen in Costa Rica, den sogenannten „Encuentros Empresariales“, stellte Julia Olesen, GOVET, die Erfahrung aus Deutschland vor. Sie informierte insbesondere über Kosten und Nutzen in der Berufsbildung, um den Unternehmen aufzuzeigen, dass sich eine duale Ausbildung lohnt.
Die Veranstaltungen fanden in Santa Cruz und Liberia (beides in der Provinz Guanacaste), San Carlos (La Fortuna) und Puerto Limón (Huetar Norte Caribe) statt und es nahmen insgesamt rund 160 Personen teil, die unter anderem in Unternehmen und lokalen Berufsbildungsstrukturen tätig sind.
Eine weitere Maßnahme, um die Unternehmensbeteiligung zu erhöhen, waren Workshops mit Unternehmensvertretungen wie der Cámara de Industrias, der Vereinigung der Freihandelszonen (AZOFRAS) oder der Konföderation der Kammern (UCCAEP). Julia Olesen stellte nicht nur das duale Modell vor, sondern beriet auch zu Programmen und aktuellen Entwicklungen in der Berufsbildung und am Arbeitsmarkt.
Die ‚Encuentros Empresariales‘ in Costa Rica waren ein entscheidender Schritt, um Unternehmen für die Vorteile der dualen Berufsausbildung zu sensibilisieren. Austauschformate sind wichtig, um die Ausbildungsbereitschaft zu erhöhen und langfristig Fachkräfte heranzubilden.
Julia Olesen, GOVET-Projektleiterin in der bilateralen Kooperation mit Costa Rica
Einen konkreten Erfahrungsaustausch in Deutschland ermöglichte ein einwöchiger Studienbesuch. Elf costa-ricanische Vertreterinnen und Vertreter von Unternehmen, privaten und öffentlichen Bildungseinrichtungen und zwei Begleitpersonen aus dem Equipo Técnico nahmen im August teil. Antonio Lehmann Gutiérrez, Botschafter der Republik Costa-Rica, betonte während seiner zweitägigen Teilnahme am Studienbesuch, dass die duale Ausbildung Teil der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands sei und begrüßte die Schritte seines Landes in der Umsetzung der dualen Ausbildung.
Botschaftsbeteiligung zeugt von hoher politischer Bedeutung der bilateralen Kooperation
Die regelmäßige Beteiligung der Botschaften beider Länder unterstrich auch im Jahr 2024 die politische Bedeutung der bilateralen Kooperation beider Länder. Der deutsche Botschafter Daniel Kriener nahm bei einem Unternehmensforum in Guanacaste teil und ebenso beim Besuch des Unternehmens WestIn Reserva Conchal. Die stellvertretende Botschafterin, die bereits in der Vergangenheit ebenfalls die Vorhaben von BMBF und GOVET stark unterstützt hatte, war auch im Jahr 2024 wieder präsent, z. B. bei einer Unternehmensveranstaltung der Konföderation der Kammern, UCCAEP.
Auf Initiative des Botschafters fand im November ein Austausch mit sieben costa-ricanischen Parlamentsabgeordneten unterschiedlicher Parteien zur deutsch-costa-ricanischen Kooperation in der Berufsbildung sowie geplanten Reformvorhaben statt.
Moderne Curriculum-Entwicklung als Basis einer starken Berufsbildung
Um Fachkräfte möglichst nah am konkreten Bedarf der Unternehmen auszubilden, sind moderne und qualitativ hochwertige Ausbildungsordnungen unerlässlich. Im Rahmen einer Studienreise im Mai nahmen acht Vertreterinnen und Vertreter des Bildungsministeriums aus Costa Rica das Thema genauer unter die Lupe. GOVET lud auch das vom BMBF geförderte Projekt CoRiCert, das Modelle und Instrumente für die Prüfung und Zertifizierung von dualen Ausbildungsgängen in Costa Rica entwickelt und erprobt, zu einem Austausch während der Studienreise ein. Die Teilnehmenden tauschten sich mit Expertinnen und Experten des BIBB über die Ordnungsarbeit mehrerer Ausbildungsberufe aus und erhielten Einblicke in die Ausbildungspraxis von Unternehmen der Bonner Region. Der Studienbesuch knüpfte an einen umfassenden Workshop im November 2023 an, den Julia Olesen gemeinsam mit Dr. Gert Zinke, BIBB, durchführte. Die Studienreise zahlte sich aus: Die Teilnehmenden setzten das gewonnene Wissen in der Erstellung neuer Curricula um. Sie gestalten diese nun flexibler, damit betriebliche Abläufe und das Lernen im Arbeitsprozess besser berücksichtigt werden können.
Der Erfolg der Studienreise wird auch an anderer Stelle sichtbar. So geht die Erarbeitung eines MEP-internen Fortbildungsprogrammes auf die Erfahrungen der Studienreise zurück. Die Teilnehmenden haben sich zum Ziel gesetzt, innerhalb des MEP stärker für die duale Berufsbildung zu werben, um interne Hürden abzubauen. Durch das virtuelle Format wurden bereits über 200 Personen erreicht.
Qualifiziertes Ausbildungspersonal für die Fachkräfte von morgen
Qualifiziertes Ausbildungspersonal ist ein wichtiger Erfolgsfaktor in der beruflichen Bildung und ein weiteres Schwerpunktthema in der bilateralen Zusammenarbeit. Im November fand im INA ein Workshop in Kooperation mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) statt, bei dem es um die Qualifizierung von Ausbildungspersonal ging. Julia Olesen erläuterte wesentliche Grundzüge der Qualifizierung des Ausbildungspersonals in Deutschland und anderen Ländern und beantwortete Fragen der INA-Mitarbeitenden. Für das Jahr 2025 hat GOVET in der Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe der Berufsbildungskommission einen Schwerpunkt auf die Qualifizierung der Ausbilderinnen und Ausbilder vereinbart.
Nachhaltigkeit in der beruflichen Bildung
Nachhaltigkeit in der beruflichen Bildung ist ein weiteres zentrales Themenfeld in der Kooperation. Während des Besuchs der costa-ricanischen Delegation im Mai durchliefen die acht Teilnehmenden des Bildungsministeriums einen VET Chain Workshop, der eine Reflektion zum Thema Nachhaltigkeit in der Berufsbildung einläutete.
Gemeinsam mit nationalen und internationalen Partnern erstellte GOVET eine Publikation zum Thema Nachhaltigkeit in der Berufsbildung, die Ende 2024 erschien. Die Veröffentlichung vereint vielfältige Perspektiven von 22 Autorinnen aus elf Ländern. An der Publikation haben sich auch Autorinnen und Autoren aus Costa Rica beteiligt. Die Publikation dokumentiert Workshops, Expertengespräche und Forschungsarbeiten zum Thema Nachhaltigkeit in der Berufsbildung.
In einem Beitrag wird die Veränderung der INA-weiten Strategie mit Bezug zu Nachhaltigkeit beleuchtet. In einem zweiten Beitrag ging es um die Auswirkungen einer nationalen Nachhaltigkeitsstrategie auf die Arbeit des INA. Nachhaltigkeit hat in Costa Rica nicht nur kulturell und gesellschaftlich einen hohen Stellenwert, sondern wird auch in den Institutionen entsprechend berücksichtigt.
Die Grundlage der Zusammenarbeit zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem costa-ricanischen Bildungsministerium (MEP) bildet die 2016 geschlossene Joint Declaration of Intent, die 2022 um weitere drei Jahre erneuert wurde.
Zu Anfang der Kooperation stand vor allem die Beratung bei der Entwicklung eines Gesetzes für die duale Berufsbildung in Costa Rica im Vordergrund sowie die umfängliche Einbeziehung aller Wirtschafts- und Sozialpartner. Mittlerweile bilden konkrete Fragen der Umsetzung und Implementierung den Schwerpunkt der Beratungsarbeit.
GOVET begleitet die Arbeitsgruppe (Equipo Técnico), die Teil der 2020 eingesetzten Berufsbildungskommission (Comisión Asesora y Promotora, CAP) ist. Die CAP untersteht dem costa-ricanischen Bildungsministeriums (MEP) und bindet alle relevanten Ministerien, Wirtschafts- und Sozialpartner ein.