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Expertengespräch mit costa-ricanischen Ausbilderinnen und Ausbildern

Der virtuelle Austausch mit costa-ricanischem Ausbildungspersonal war ein gelungener Auftakt der mehrteiligen Weiterbildungsreihe. Wie verhalte ich mich als Ausbilderin oder Ausbilder? Welche Rollenkonflikte gibt es womöglich? Wie kann man diese lösen? Diese und weitere Fragen standen im Fokus des Webinars.

Fachexpertinnen und Fachexperten des costa-ricanischen Bildungsministeriums und privaten Unternehmen diskutierten gemeinsam mit dem Team von GOVET, unter anderem mit Julia Olesen, Peter Rechmann und Nicole Josef und mit Isabelle Schlender, aus dem Arbeitsbereich Digitales Lernen, Bildungspersonal, zu den bisherigen Erfahrungen in der dualen Ausbildung in Costa Rica.

Dabei wurden Themen wie die Rolle, Funktion und Konflikte der Ausbilderinnen und Ausbilder sowie Erfahrungen der Teilnehmenden aus Costa Rica und Deutschland ausgetauscht. Isabelle Schlender stellte vor, dass ausbildende Fachkräfte nicht mehr nur die Kollegin oder der Kollege vom Fach sind. Sie fungieren viel mehr  auch als Erzieherinnen und Erzieher, Vorgesetzte und Ausbilderinnen und Ausbilder. Das Rollenbild hat sich mit der Zeit erweitert und ist vielschichtiger geworden. Das konfrontiert sie mit unterschiedlichen Anforderungen und Erwartungen.

Wenn Ausbilderinnen und Ausbilder ihre Rollen kennen, hat das zwei Vorteile:

  • Sie haben eine klare Vorstellung davon, welche Aufgaben und Herausforderungen damit verbunden sind.
  • Sie können bei möglichen Rollenkonflikten bewusst Prioritäten setzen.

In der Realität können Situationen auftreten, in denen alle nicht adhock den Anforderungen gerecht werden können – das betrifft neben denen des Unternehmens, auch die Anforderungen und Erwartungen der Auszubildenden und ihre eigenen.

Die Rolle der Ausbilderinnen und Ausbilder

Zwischen Vorbildfunktion und Alltagsherausforderungen

Ausbilderinnen und Ausbilder sind nicht nur Mentoren, sondern nehmen während der Ausbildungszeit auch eine Vorbildfunktion für Auszubildende ein. Eine Ausbildung ist nicht nur das Lernen am Lernort, vielmehr trägt es zur persönlichen Weiterentwicklung des Individuums bei und legt den Grundstein für eine langfristige berufliche Karriere.

Die Teilnehmenden meldeten zurück, dass sie es als herausfordernd ansehen, die Motivation der Auszubildenden aufrechtzuerhalten. Hinzu kommen weitere Aspekte, die auch in Deutschland relevant sind: Dazu zählen das Sozialverhalten der Auszubildenden, die Kooperation zwischen Lernorten  - Betrieb und Berufsschule -, die Vermeidung von Missverständnissen sowie die strukturierte Organisation des Ausbildungsprozesses.

Ein häufig genanntes Spannungsfeld ergibt sich aus den unterschiedlichen Rollenbildern, die innerhalb des Ausbildungsverhältnisses eingenommen werden. So kann es beispielsweise zu Konflikten kommen, wenn Auszubildende ihre Rolle primär als „Arbeitskraft“ verstehen und weniger als Lernende. Mit wachsendem Fachwissen kann zudem eine gewisse Rollenverschiebung stattfinden, die bei unklaren Absprachen oder fehlender Kommunikation zu einem Ungleichgewicht oder Missverständnissen führt.

Rollenkonflikte entstehen häufig, wenn unterschiedliche Erwartungen – seitens der Auszubildenden, der Ausbildenden oder auch der Kolleginnen und Kollegen – aufeinandertreffen. Diese unterschiedlichen Sichtweisen können zu Spannungen führen, wenn sie nicht offen thematisiert werden. Um dem entgegenzuwirken, sind Transparenz, klare Kommunikation und eine kontinuierliche Reflexion der jeweiligen Rollen und Verantwortlichkeiten essenziell. Nur so kann ein gemeinsames Verständnis entwickelt und ein konstruktives Lernumfeld geschaffen werden.

Das Auftaktwebinar mit den Teilnehmenden hat gezeigt, dass es noch viel Bedarf an fachlichem Austausch gibt, welcher Mitte Oktober in Costa Rica fortgeführt wird.

Julia Olesen und Isabelle Schlender werden das Team in Costa Rica fachlich begleiten, um über die Qualität in der Ausbildung zu beraten und zu unterstützen.

Hintergrund zur Berufsbildungskooperation mit Costa Rica

Deutschland und Costa Rica kooperieren seit 2016 in der Berufsbildung auf Grundlage einer gemeinsamen Absichtserklärung zwischen dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem costa-ricanischen Bildungsministerium (MEP). Das BMBF begleitet in einem „Beobachtungsstatus“ die „Kommission zur Beratung und Förderung der dualen Berufsbildung“ (CAP). Diese setzt sich aus Vertreterinnen und Vertreter staatlicher Ministerien, Institutionen, des Privatsektors und Sozialpartnern zusammen und trifft politisch-strategische Entscheidungen zu Fragen der Ausgestaltung, Finanzierung und institutionellen wie rechtlichen Konsolidierung dualer Berufsbildung. Darüber hinausbegleitet und berät das BMBF über GOVET das costa-ricanische Bildungsministerium in der operativen Umsetzung der Educación Dual.

Das BMBF hat durch Dialog, Beratung, Delegationsreisen und Expertenberatungen seit 2016 dazu beigetragen, dass 2018 in Costa Rica ein Dekret zur Einführung der dualen Ausbildung erlassen wurde. Am 12. August 2019 verabschiedete das Parlament das Gesetz zur dualen Berufsbildung, das einen Monat später rechtskräftig wurde. Um die Reformen des Partnerlandes weiter zu unterstützten, werden die Berufsbildungsforschung sowie die Beteiligung der Wirtschafts- und Sozialpartner in der beruflichen Bildung in Costa Rica aktuell durch zwei weitere BMBF-Projekte gestärkt (CoRiVET und CoRiCert).