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Arbeitsgruppe aus Costa Rica zur Berufsbildung besucht Deutschland

12.06.2023

Das duale Berufsbildungssystem Deutschlands in all seinen Facetten kennenzulernen, war das erklärte Ziel der Arbeitsgruppe der Berufsbildungskommission Costa Ricas. Mit diesem Auftrag organisierte GOVET für die zehnköpfige Delegation einen einwöchigen Studienaufenthalt in Deutschland. Fazit der Teilnehmenden am Ende: Ziel erreicht.

Arbeitsgruppe aus Costa Rica zur Berufsbildung besucht Deutschland

„Der Studienbesuch in Deutschland war eine großartige Erfahrung!“ konstatierte Catalina Blanco Araya, Koordinatorin der Arbeitsgruppe der Berufsbildungskommission zur Beratung und Förderung der dualen Berufsbildung in Costa Rica (Comisión Asesora y Promotora de la EFTP Dual – CAP). GOVET hatte im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) zehn Vertreterinnen und Vertreter der Arbeitsgruppe für einen einwöchigen Studienaufenthalt nach Deutschland eingeladen. Ziel der Delegation war es, im Rahmen des Study Visits Strukturen und Funktionsweisen des dualen Systems in Deutschland kennenzulernen und in der Praxis zu erleben. Dazu wurden verschiedene Organisationen und Unternehmen besucht, um die Vielfalt der Akteure und ihr gemeinsames Engagement für die duale Berufsbildung zu verdeutlichen.

Der MIKA-Campus soll die Medien- und IT-Kompetenz von Ausbilderinnen und Ausbildern fördern (im Bild: Michael Härtel)

Aus dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) gaben Michael Härtel, Leiter des Arbeitsbereichs „Lehren und Lernen, Berufsbildungspersonal“ und seine Kollegin Franziska Kupfer einen Einblick in die Ausbildereignungsverordnung (AEVO), sowie die aktuellen Diskussionen zum Thema der Neuordnung der Ausbilderqualifizierung. Der Blick zurück in die Historie der Entwicklung der AEVO sorgte bei den Teilnehmenden für Verwunderung: Mitte der 2000er Jahre wurde die AEVO für einige Jahre ausgesetzt. Man erhoffte sich eine stärkere Beteiligung von Unternehmen, um zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen. Dies traf jedoch nicht ein, vielmehr gab es in der Folge Qualitätsprobleme in der Ausbildung und die Abbruchquote stieg an. In Costa Rica wird derzeit die Dauer des Weiterbildungskurses für die betrieblichen Ausbilder*innen diskutiert. Die Erfahrungen aus deutscher Sicht können einen sinnvollen Beitrag in der Diskussion leisten. Außerdem stellte Michael Härtel das neue Seminarangebot rund um den MIKA Campus vor, welches die digitalen und Medienkompetenzen unter dem Berufsbildungspersonal stärken soll.

Eindrücke aus den Study Visit Stationen

Duale Ausbildung in der betrieblichen Praxis

Digitale Kompetenzen stehen bei einem IT-Unternehmen wie der CONET Gruppe ebenfalls ganz oben auf der Agenda. Personalleiterin Sabine Cox stellte gemeinsam mit Kolleginnen das umfangreiche Ausbildungsangebot der Unternehmensgruppe vor. Unter den mittlerweile knapp 2.000 Mitarbeitenden finden sich jährlich etwa 15 neue Auszubildende. Das Unternehmen wurde für sein eindrückliches Engagement bereits mehrfach ausgezeichnet. Ein gutes Beispiel, wie Ausbildung durch enge Betreuung der Auszubildenden innovativ und ansprechend gestaltet werden kann und gleichzeitig zur nachhaltigen Fachkräftegewinnung im Unternehmen dient.

Ausbildungsatmosphäre schnuppern im Briefverteilungszentrum der DHL

Die Gewinnung von Fachkräften und das Ermöglichen von individuellen Bildungswegen steht auch im Zentrum der Unternehmenskultur bei der Deutschen Post DHL. Im Briefverteilzentrum in Troisdorf, an dem täglich über eine Millionen Briefsendungen bearbeitet werden, stellte Niederlassungsleiterin Katharina Putz das vielseitige Ausbildungsengagement der Deutschen Post vor. Von der Ausbildung zur Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen über die Ausbildung zu Mechatroniker*innen, bis hin zu dualem Studium in verschiedenen Fachrichtungen und berufsbegleitende Meisterfortbildungen oder Bachelor- und Masterstudium ist alles dabei. Eine Führung durch das Zentrum mit modernsten Maschinen zur Sortierung der Briefe rundete den Besuch für die costa-ricanische Delegation ab.

Schlüsselrolle der Schnittstellen Schule – Ausbildung – Unternehmen

Die schulische Seite der Ausbildung: Das Carl-Reuther-Berufskolleg am Puls der Zeit

Neben dem betrieblichen Teil der dualen Berufsausbildung, wurde am Carl-Reuther-Berufskolleg in Hennef, einer der modernsten Schulen in der Region, vorgestellt, wie innovativer und praxisorientierter Unterricht heute aussehen kann. Schulleiter Thomas Heußner und das Kollegium wiesen vor allem auf die wichtige Funktion der Schule als Schaltstelle zwischen Auszubildenden und Betrieben hin. Als Inspiration für den eigenen Kontext nahmen die Vertreter*innen der costa-ricanischen Arbeitsgruppe die Ansätze zum Informationsaustausch und der regelmäßigen Besuche und Termine zwischen Ausbilder*innen und Lehrer*innen mit.

Frank Prokop, Ausbildungsleiter des metallproduzierenden Unternehmens GKN Sinter in Bonn unterstrich die Wichtigkeit der engen Abstimmung aller Akteure im Berufsbildungssystem. Aus der Unternehmenserfahrung heraus bräuchten Schüler*innen eine bessere berufliche Orientierung, auch verstärkt hinsichtlich der vielfältigen Möglichkeiten in der dualen Ausbildung. GKN Sinter bietet viele verschiedene Ausbildungswege und -formen im Unternehmen an. Für die Teilnehmer*innen aus Costa Rica wurde deutlich, wie individuell und flexibel Unternehmen im Rahmen der deutschen Gesetzgebung zur Berufsbildung agieren können, um eine Ausbildung zu leisten. Ein weiteres eindrückliches Highlight war der Vortrag vom Ausbildungsbotschafter des Unternehmens, ein Auszubildender im letzten Lehrjahr als Industriemechaniker, der in Schulen für die Ausbildung bei GKN Sinter wirbt.

Demonstration von Handwerk auf der Azubi MeetUp

Ein wichtiges Instrument zur Berufsorientierung konnten die Gäste aus Costa Rica dann auch in Aktion erleben: Die Delegation besuchte eine der größten Messen dieser Art in der Region, die Azubi MeetUp Messe in der Lanxess Arena, organisiert von der Handwerkskammer zu Köln. Hier präsentierten sich Handwerksbetriebe unterschiedlicher Ausrichtung und Größe. Im Gespräch mit den Teilnehmenden der Delegation wurde deutlich, dass solche Formate in der Gewinnung neuer Azubis großen Erfolg versprechen, ebenso wurde einmal mehr klar, dass duale Berufsausbildung für viele Unternehmen vor allem eins ist: eine Herzensangelegenheit, die wie selbstverständlich zum Unternehmen dazu gehört.

Das Engagement der Kammern wurde mit einem Besuch in der Gemeinschaftslehrwerkstatt (GLW) der IHK Bonn-Rhein-Sieg in Siegburg noch facettenreicher. Die costa-ricanischen Gäste lernten die vielfältigen Angebote der Kammern und deren besondere Rolle in der dualen Ausbildung kennen. Die GLW bietet als überbetriebliche Lehrstätte Fortbildungskurse an, die die Unternehmen in der Ausbildung entlasten sollen – ein weiteres Instrument im deutschen System, um Ausbildung zu ermöglichen und qualitativ hochwertig durchzuführen. Teamleiter Ausbildungsberatung und -management Frank Clauß stellte auch das Programm der Ausbildungsbotschafter*innen vor: eine der Auszubildenden, die Schulen besuchen, um dort von ihrer Ausbildung zu erzählen, berichtete anschaulich von ihren spannenden Erfahrungen – die Delegationsteilnehmer*innen waren begeistert von diesem Ansatz.

Networking und Fachaustausch

Reger Austausch beim iMOVE-Workshop mit deutschen Bildungsanbietern

Eine bewährte und wertvolle Netzwerk-Plattform war auch bei diesem Studienbesuch der von iMOVE -Training Made in Germany organisierte Round Table, zu dem Vertreter*innen der Bildungswirtschaft eingeladen waren. Nach einem Impulsvortrag der costa-ricanischen Delegation zum aktuellen Stand der Berufsbildung im Land, entstand ein reger Austausch zu den weiteren Entwicklungsmöglichkeiten und viele Visitenkarten wechselten die Besitzer*innen.

Zu den ersten dualen Ausbildungsprogrammen, die in Costa Rica seit Beginn 2022 umgesetzt wurden, zählen einige Berufe im produzierenden Bereich, wie Industrieelektronik oder industrielle Wartung. Vor diesem Hintergrund erläuterte Thomas Felkl aus dem BIBB-Arbeitsbereich „Elektro-, IT- und naturwissenschaftliche Berufe“ den Ablauf von Ordnungsverfahren und dem Aufbau der Ausbildungsordnungen am Beispiel des Berufs Mechatroniker*in. Dieses Thema stieß bei allen Teilnehmer*innen auf großes Interesse, denn aktuell ist es in Costa Rica noch eine Herausforderung, die Perspektive der Unternehmen in die Erstellung von Ausbildungsplänen einzubinden.

Wie die Erstausbildung dann durch Weiterbildungen ergänzt werden kann, beleuchtete Moritz Renner von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Projektleiter im BMBF-geförderten InnoVET-Projekt BIRD zur Implementierung innovativer bereichsübergreifender Bildungsangebote zu Industrie 4.0 und Künstlicher Intelligenz. Das Ziel des Projekts ist die Entwicklung neuer Abschlüsse, die der im neuen Berufsbildungsgesetz geschaffenen Fortbildungsstufe „Geprüfte/r Berufsspezialist/in“, also auf Stufe 5 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR), ein Profil geben sollen.

Im Abschlussworkshop reflektierten die Teilnehmer*innen wichtigste Erkenntnisse, identifizierten Themen, die im Nachgang im Rahmen der bilateralen Kooperation mit dem BMBF vertieft werden sollen und unterstrichen die Bedeutung des Austauschformates. Die Zentralstelle der Bundesregierung für internationale Berufsbildungskooperation (GOVET) berät im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und im Rahmen der bilateralen Berufsbildungskooperation zwischen Deutschland und Costa Rica die costa-ricanische Berufsbildungskommission (CAP) bei der Einführung des dualen Berufsbildungssystems. Die CAP setzt sich aus Vertreter*innen staatlicher Ministerien, Institutionen, des Privatsektors und Sozialpartnern zusammen und trifft politisch-strategische Entscheidungen zu Fragen der Ausgestaltung, Finanzierung und institutionellen wie rechtlichen Konsolidierung dualer Berufsbildung. Darüber hinaus begleitet und berät das BMBF über GOVET die „Arbeitsgruppe der CAP“ (Equipo Técnico) in der operativen Umsetzung der Educación Dual (EFTP dual).