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GOVET-Fachseminar zur Just Energy Transition

Beschäftigungs- und Fachkräftesicherung durch Aus- und Weiterbildung

05.02.2024

Berufsbildung ist national wie international ein Schlüsselelement nachhaltiger, sozial gerechter Energie-Transformation. Denn Neu- und Weiterqualifizierung sichern die benötigte Fachkräftebasis und unterstützen eine gerechte Umstrukturierung der Beschäftigung in den besonders betroffenen Sektoren.

GOVET-Fachseminar zur Just Energy Transition

Zum brandaktuellen Thema „Energy Transition und internationale Berufsbildungszusammenarbeit" organisierte GOVET Ende 2023 ein weiteres Fachseminar im Rahmen des Runden Tisches; über 50 Teilnehmende aus Bund und Ländern bzw. Akteure in der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit (iBBZ) trafen sich dazu im bewährten Online-Format. Ziel war es, auf der Grundlage von Forschungsergebnissen und Praxisbeispielen Chancen und Risiken von Transformationsprozessen im Bereich der Energie (Energiewende) für die Beschäftigung darzulegen, Herausforderungen für die berufliche Bildung zu formulieren und die Ergebnisse zu diskutieren.

Energiewende bedeutet die Abkehr von fossilen Brennstoffen hin zu einem Ausbau von erneuerbaren Energien z. B. aus Wind, Sonne, Wasser oder auch Wasserstoff. In Deutschland, aber auch in vielen anderen Ländern der Welt, kommt in diesem Zusammenhang einer effizienten und gerechten Dekarbonisierung eine besondere Rolle zu, da die Kohle ein wichtiger Bestandteil des Energie-Mix des Landes ist und viele Beschäftigte betroffen sind. Neben der Dekarbonisierung ist aber auch eine Abkehr von fossilen Brennstoffen – wie etwa bei der Elektromobilität – ein wichtiger Teil der Energiewende, der Auswirkungen auf die Berufsbildung hat. Das Seminar ging der Frage nach, welche Implikationen dieser Wandel für den Qualifizierungsbedarf der bestehenden und zukünftigen Beschäftigten in den Entwicklungs- und OECD-Ländern hat und was das für die iBBZ bedeutet.

Transformation und Beschäftigungssicherung national

Einleitend erläuterte Isabelle Le Mouillour, die das BIBB in der „Task Force Fachkräfte“ der "Allianz für Transformation" beim Bundeskanzleramt vertritt, wie staatliche und private Akteure in Deutschland sich bemühen, gemeinsam Strategien für die notwendigen Anpassungen im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt zu entwickeln. Um die Versorgung mit passend ausgebildeten Fachkräften zu sichern, sollen vor allem bewährte Instrumente der Aus- und Weiterbildungspolitik gezielt zum Einsatz kommen – wie die Weiterentwicklung von Karrierepfaden, die Verbesserung von Zugangswegen zu den Energiewendeberufen bis hin zur Fachkräftegewinnung aus dem Ausland.

Die Zukunftsprojektionen des „QuBe“-Projekts von BIBB und IAB (Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung) zu „Arbeitskräftebedarf und Arbeitskräfteangebot entlang der Wertschöpfungskette Wasserstoff“ unterstützen diesen Ansatz. Sie zeigen, dass der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft im Rahmen der Energiewende in Deutschland insgesamt kaum Beschäftigte freisetzt, sich stattdessen Beschäftigung und Bedarf – vor allem an qualifizierten Fachkräften – erhöhen. Stellvertretend für den Projektverantwortlichen Alexander Schur aus der Forschungsabteilung des BIBB erläuterte GOVET-Leiter Dr. Ralf Hermann, dass diese Effekte nicht über alle Sektoren gleich verteilt sind und Bereiche wie die Fahrzeugbranche negativ betroffen werden. In Berufen, die direkt am Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft mitwirken, können sich außerdem einzelne Anforderungen und Tätigkeiten ändern. Bei der Qualifikation für die Energiewende kommen in Deutschland also Weiterbildung und Lebenslangem Lernen eine besondere Bedeutung zu.

Energietransformation und Beschäftigungssicherung in der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit

Den Link zur internationalen Perspektive stellte zunächst Kirsten Freimann von der GIZ Südafrika her. Sie berichtete über die "Just Energy Transition Partnerships (JETP)" mehrerer westlicher Staaten mit Südafrika, die ein ganzes Bündel an Interventionen im Bereich Bildung und Beschäftigung umfasst. Vor dem Hintergrund, dass Südafrika bisher rund 85 Prozent der Energie aus Kohle gewinnt, unterstützt das Projekt einen sozial gerechten und inklusiven Kohleausstieg. Berufliche Bildung und Kompetenzentwicklung spielen für einen solchen Übergang eine zentrale Rolle; Auswirkungen auf die Beschäftigung müssen aber ebenfalls berücksichtigt werden. Das Projekt verfolgt daher einen integrierten Ansatz zur Beschäftigungsförderung und fokussiert auf relevante Branchen und benachteiligte Gruppen. Dazu gehört auch die Einbettung in einen ganzheitlichen Ansatz für nachhaltige Beschäftigungseffekte – z. B. durch Anpassung des Berufsbildungssystems – unter Einbezug sowohl des Privatsektors als auch der informellen Wirtschaft. Kirsten Freimann betonte in diesem Zusammenhang die Schaffung würdiger Beschäftigung in neuen Sektoren wie Elektromobilität, grüner Wasserstoff und erneuerbare Energien als primären Ansatz.

Thesen nach GIZ (2022). Discussion Paper: Skills for a Just Transition to a Green Future Article by Kirsten Freimann & Gerda Magnus (2023): Skills for a Just Transition to a Green Future: Analysis and Support of the South African TVET System.

Einblicke in die Situation in Kenia, wo bereits 86,4 Prozent der Energie aus erneuerbaren Quellen, insbesondere der Geothermie, stammen, bot Ulrich Krüger von der Kasanga Mulwa Foundation. Bei den erneuerbaren Energien liegt demnach ein enormes Potential für die Wirtschaft, es fehlt aber an qualifizierten Fachkräften. Gleiches gilt für die Entwicklung weg von Benzin und Diesel hin zur Elektromobilität. Hiervon ist auch der informelle Sektor betroffen, denn Auto- und Zweiradreparaturen erfolgen traditionell in kleinen Werkstätten mit ungeregelten Arbeitsverhältnissen. Ulrich Krüger beschrieb die damit verbundenen Herausforderungen für das gesamte Bildungssystem und betonte die notwendige Einbindung der informellen Wirtschaft in Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen. In Kenia würde auf diese Weise die Energiewende auch zur Kompetenzsteigerung und Formalisierung des informellen Sektors beitragen. Abschließend plädierte er für ein stärkeres internationales Engagement in Kenia.

Insgesamt zeigte sich, dass die mit Energietransformationen verbundenen Herausforderungen in weiten Teilen hinsichtlich des Fachkräftebedarfs weltweit vergleichbar sind und dass in ihrer Bewältigung auf Bewährtes gesetzt wird. So kommt der Weiterbildung bei der Qualifizierung von Fachkräften für die Energiewende eine besondere Rolle zu. In Afrika aber auch in anderen Teilen der Welt müssen Berufsbildungssysteme sowie bildungs- und sozialpolitische Rahmenbedingungen auf die Bedarfe angepasst und alle wirtschaftlich relevanten Sektoren mit einbezogen werden. Gelingt dies, bietet die Transformation im Bereich der Energie auch große Chancen für die Beschäftigung. Die internationale Berufsbildungszusammenarbeit kann diesen Prozess durch Beratung und den Aufbau von Projekten unterstützen und tut es bereits. Für die praktische Projektarbeit können aber noch keine abschließenden Urteile über Best Practices gefällt werden. Der internationale Dialog und das Lernen voneinander sollten daher auch künftig weitergeführt werden.