Fachseminar zur „Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Berufsbildung und der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit“
Künstliche Intelligenz (KI) kann national wie international Angebot, Qualität und Reichweite von beruflicher Aus- und Weiterbildung verbessern, stellt aber auch Anforderungen an Kompetenzentwicklung und Qualifikation von Lernenden und Lehrenden.
Die Nutzung Künstlicher Intelligenz (KI) ist ein Teil der globalen Digitalisierung. Sie verändert rasant die Arbeitswelt und erhöht national wie international den transformativen Druck auf die berufliche Aus- und Weiterbildung. Dabei ist sie Herausforderung und Chance zugleich und gewinnt auch in der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit (iBBZ) zunehmend an Bedeutung. Daher tauschten sich Anfang Oktober rund 50 Vertreterinnen und Vertreter der Institutionen am Runden Tisch für internationale Berufsbildungszusammenarbeit auf der Grundlage von Inputs aus der Arbeit des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) und der internationalen Praxis zu Ansätzen und Möglichkeiten der Nutzung von KI in der Berufsbildung aus.
Die Lernprozesse im Zusammenhang mit KI lassen sich in zwei grundlegende Betrachtungsweisen unterteilen: das Lernen mit KI und das Lernen über KI. Das heißt, zum einen wird KI genutzt, um Lernprozesse zu vereinfachen, zu verbessern und an individuelle Bedürfnisse anzupassen oder überhaupt erst möglich zu machen. So erleichtert KI beispielsweise die Überwindung sprachlicher und räumlicher Barrieren oder auch den Zugang zu Berufsorientierungsangeboten und Hintergrundinformationen. Zum anderen können mit ihrer Hilfe Arbeitsabläufe neu, effizienter oder auch sicherer gestaltet werden. Dies erfordert entsprechende technische und anwendungsbezogene Kompetenzen und Soft Skills, die über Aus- und Weiterbildung sowohl im schulischen als auch im betrieblichen Umfeld vermittelt werden müssen. Beide Lernprozesse betreffen Lernende und Lehrende.
Hinweis: Dieses Video ist über den Youtube-Kanal des BIBB eingebunden.
Wenn Sie dieses Video hier abspielen, erfolgt eine Datenübertragung an Youtube
bzw. Google. Weitere Hinweise hierzu entnehmen Sie bitte unserer
Datenschutzerklärung.
Künstliche Intelligenz als Arbeitsschwerpunkt im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB)
Im Rahmen des GOVET-Fachseminars zur „Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Berufsbildung und der internationalen Berufsbildungszusammenarbeit“ gab Maria Wilkes, Kommunikationsmanagerin bei GOVET, einen Überblick über die vielfältigen Aktivitäten des BIBB im Zusammenhang mit KI. Auf der Grundlage der BIBB-Forschungsdateninfrastruktur reichen die Aktivitäten des BIBB von der Erforschung der Auswirkungen von KI auf die Berufsbildung in Deutschland bis zur Entwicklung praxisnaher Lösungen für die Nutzung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung.
Resümee der Vortragenden
Einen Überblick über die vielfältigen Aktivitäten des BIBB im Zusammenhang mit KI gab Maria Wilkes von GOVET. Auf der Grundlage der BIBB-Forschungsdateninfrastruktur reichen sie von der Erforschung der Auswirkungen von KI auf die Berufsbildung in Deutschland bis zur Entwicklung praxisnaher Lösungen für die Nutzung in der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Dabei leistet das BIBB auch einen Beitrag zur innovativen Methodenentwicklung in der Berufsbildungsforschung. Die besondere Stärke des BIBB liegt in seiner umfassenden Data-Science-Expertise, dem Aufbau einer soliden Dateninfrastruktur (z. B. Berufe- und Kompetenzradar) und der aktiven Einbindung in die Hochschullehre. Die aktuellen Themengebiete sind die Nutzung von KI in der Berufsorientierung (z. B. Chatbot Aidy), in der Modernisierung von Ausbildungsberufen (Ordnungsverfahren ( z. B. KINO)), im Ausbildungsalltag (z. B. leando), im betrieblichen Einsatz (z. B. BIBB-Qualifizierungspanel), in der beruflichen Weiterbildung (z. B. INVITE) sowie KI und die Transformation der Erwerbstätigkeit (z. B. QualiKi). Begleitend verfügt das BIBB über KI-Initiativen und -förderungen zur Stärkung externer Innovationen. So bietet das BIBB beispielsweise die Online-Veranstaltungsreihe „KI-Montagsforum“ an und veranstaltet am 27./28.01.2026 die BIBB-Bildungskonferenz „Zukunft gestalten! Künstliche Intelligenz in der beruflichen Bildung“.
In ihrem anschließenden Beitrag gab Dr. Stephanie Conein aus der Abteilung für Struktur und Ordnung der Berufsbildung des BIBB einen genaueren Einblick in die Projekte KINO, QualiKI und Generative KI in der beruflichen Bildung.
Das Forschungsvorhaben KINO (Grenzen und Möglichkeiten des KI-Einsatzes in Neuordnungsverfahren) geht der Frage nach, ob generative KI wie ChatGPT den bisherigen Neuordnungsprozess unterstützen, beschleunigen, flexibilisieren oder gar ersetzen kann und welche Grenzen es gibt. Es zeigte sich, dass KI zwar unterstützen, aber das bisherige Verfahren (noch) nicht ersetzen kann. Allerdings ist die KI-Entwicklung sehr dynamisch und einzelne KI-Systeme ließen sich zukünftig gegebenenfalls auch miteinander kombinieren. Insbesondere bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Neuordnung gibt es Potential.
Bezüglich des Entwicklungsprojekts QualiKi verwies Dr. Conein darauf, dass der EU-AI-Act die Schaffung von KI-Kompetenz verlangt, sich aber die Frage stellt, welche KI-Kompetenzen benötigt werden. Es muss also untersucht werden, wie sich die berufliche Nutzung künstlicher Intelligenz auf die Qualifikationsanforderungen auswirkt. Vor diesem Hintergrund zielt das Projekt darauf ab, zunächst einen Überblick zu schaffen, welche empirischen Erkenntnisse es zu diesen Veränderungen bereits gibt. Der Fokus liegt dabei bei den gewerblich-technischen Berufen. Erste Ergebnisse zeigen, dass es bisher nur sehr wenige empirische Studien gibt, die die Forschungsfrage arbeitsplatz- bzw. berufsbezogen adressieren. Die bisherigen Erkenntnisse zeigen aber auch, dass bei der Qualifikation die KI-spezifische Kompetenzen und das bisherige fachspezifisches Wissen zusammengedacht werden müssen, um den Kompetenzerhalt sicherzustellen. Die notwendige Folgeforschung sollte daher u. a. die Kompetenzen ganzheitlich erfassen und einen möglichst starken Arbeitsplatzbezug haben.
Das nächste vorgestellte Projekt beschäftigt sich mit der seit der Einführung von ChatGPT stark steigenden Nutzung von generativer KI auch im Ausbildungszusammenhang. Auf der Grundlage von sich wiederholenden Onlinebefragungen und Interviews von Ausbildern und Lehrkräften erfasst und analysiert das Projekt „Generative KI in der beruflichen Bildung“ den aktuellen Stand der Nutzung dieser KI in der Berufsausbildung. Darauf aufbauend werden konkrete Unterstützungsbedarfe des Bildungspersonals ermittelt und entsprechende praxisnahe Materialien und Webinare entwickelt. Ziel dieser Unterstützung ist eine effektive Implementierung von KI in der Lehre der beruflichen Bildung.
Die genannten Projekte zeigen: Mit seinen diversen Vorhaben analysiert und prognostiziert das BIBB, wie KI-Technologien Arbeitsplätze und Tätigkeiten transformieren, welche neuen Qualifikationsanforderungen daraus erwachsen und wie KI genutzt werden kann. Denn die Beantwortung dieser Fragen ist wichtig für gezielte Weiterbildungsmaßnahmen, vorausschauende Qualifizierungsstrategien und Neuordnungsverfahren.
So wie die Nutzung von KI im nationalen Kontext für neue Optionen und Notwendigkeiten sorgt, so spielt sie auch global eine wichtige Rolle in der Berufsbildung und der Berufsbildungskooperation. Beispielhaft wurden im Fachseminar drei internationale Projekte vorgestellt: das Erasmus+ Projekt AI Pioneers, das ConnActions Modellnetzwerk im Kunsthandwerk mit Italien sowie ein Projektbeispiel aus Brasilien.
Das Projekt AI Pioneers wurde von den Projektkoordinatoren Prof. Dr. Dr. h.c. Michael Gessler, Frieda Klaus und Lisa Meyne vom Institut Technik und Bildung der Universität Bremen vorgestellt. Dabei geht es um den Aufbau eines EU-weiten Referenznetzwerks sogenannter „KI-Pioniere“, um mit ihrer Hilfe den Einsatz und die Vermittlung von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Erwachsenen- und beruflichen Aus- und Weiterbildung sektorübergreifend zu erforschen, zu fördern und zu evaluieren. Projektpartner sind 10 Institutionen aus 7 Ländern: Deutschland, Griechenland, Spanien, Italien Portugal, Estland und Zypern. Die Pioniere sind Lehrende, Ausbildende, Stakeholder, politischen Entscheidungstragende und Bildungsplanerinnen und -planer mit KI-Expertise. Sie sollen Handlungsempfehlungen, Instrumente und Umsetzungsleitfäden für weitere KI-Pioniere sowie neue Initiativen und Projekte entwickeln und dabei voneinander lernen. Des Weiteren zielt das Projekt auf die Identifizierung und Erprobung konkreter Anwendungsfälle sowie die Erarbeitung von Richtlinien für einen ethischen und vertrauenswürdigen Umgang mit KI.
Ein wichtiger Schwerpunkt des Projekts ist die Stärkung des beruflichen Lehrpersonals im Umgang mit dem Thema KI. Denn KI ist sowohl Unterrichtsgegenstand als auch Werkzeug im Unterricht und engagierte Lehrkräfte und die zur Verfügung stehende Infrastruktur bestimmen, wie das Thema KI angegangen wird. In diesem Zusammenhang hat AI Pioneers u. a. eine Erweiterung des europäischen Rahmenwerks für die digitale Kompetenz von Lehrenden (DigCompEdu) um das Thema KI-Kompetenzen sowie eine Wissensdatenbank erarbeitet. Die Datenbank stellt sowohl eine Vielzahl an Materialien und Ressourcen wie Software und Tutorials für den Unterricht zur Verfügung als auch spezifische Ressourcen für das Lehren und Lernen von KI wie Unterrichtsbeispiele, praktische Übungen oder Bewertungstools. Ergänzt wird die Datenbank um Lehrplanempfehlungen und Best Practice Beispiele.
Abschließend wies Prof. Gessler darauf hin, dass der Umgang mit dem Thema KI in der Berufsbildung in den verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich sei, auch rechtlich. Deutschlands Berufsbildung sei aufgrund der engen Verknüpfung mit der Praxis über das duale System und eines Vorgängerprojekts eher ein Vorreiter auf dem Gebiet der Integration von KI. Die meisten anderen europäischen Länder seien erst mit der Einführung von Chat GPT in das Thema eingestiegen und daher auf generative KI fokussiert. Dort machten sie aber sehr schnelle Fortschritte. Insgesamt sei man sich in Europa im kulturellen Umgang mit KI aber sehr ähnlich.
Auch im gestaltenden Handwerk (Design, Textil, Keramik) gibt es eine Netzwerkkooperation zur Integration von KI in die berufliche Aus- und Weiterbildung. Wie Christoph Krause vom Mittelstand-Digital Zentrum Handwerk der Handwerkskammer Koblenz berichtete, fördert das Modellnetzwerk mit Italien den kreativen Austausch der beteiligten Akteuren des Kunsthandwerks zu Erfahrungen und Ideen bezüglich der Nutzung und Etablierung von KI. Ziel sei es, ein Kompetenzprofil mit den grundlegenden digitalen Fähigkeiten für die „Handwerker der Zukunft“ zu entwickeln und die Ausbildungskonzepte zu modernisieren, um die Wettbewerbsfähigkeit und Zukunft der Branche zu sichern und dabei Tradition und Innovation zu verbinden. Das bilaterale und langfristig ausgelegte Netzwerk besteht aus neun Berufsbildungsakteuren des Kunsthandwerks aus der Region Kampanien in Italien und aus Rheinland-Pfalz und wird gefördert durch die ConnActions Förderrichtlinie des BMBFSFJ. Diese will gemeinsam mit den Wirtschafts- und Sozialpartnern öffentliche und private Akteure verschiedener Länder mit gleicher Interessenslage zusammenbringen und zum gegenseitigen Lernen anregen.
Herr Krause erläuterte weiterhin, dass das Netzwerk zunächst in einem Pilotprojekt die Sprache der Arbeitsgruppe vereinheitlicht habe, um einen leichtgängigen Austausch, den verständlichen Zugang zu Hintergrundinformationen und die gemeinsame Entwicklung von Maßnahmen und Strategien zu ermöglichen. Hierfür wurde ein maßgeschneiderter GPT (Generative Pretrained Transformer) mit allen nötigen Informationen insbesondere zu den Berufsbildungssystem beider Länder gefüttert, so dass eine geschlossene Datenbank entstand. Da die generative KI aufgrund des integrierten Übersetzungssystems verschiedene Sprachen beherrscht, kann auf die Datenbank auf Deutsch und Italienisch zugegriffen werden. Nun werde daran gearbeitet, mit Hilfe des visuellen Workspace Miro eine Plattform für das Handwerk aufzubauen, die das Hintergrundwissen kategorisiert sowie u. a. KI-Assistenten, einen digitalen KI Werkzeugkasten und KI-Tools für Unternehmen und Institutionen anbietet. Die Plattform soll Handwerksbetriebe, Schulen und Fachkräfte bei ihrer Weiterentwicklung unterstützen.
Unter dem Gesichtspunkt Lernen von Anderen stellt Luiz Eduardo Leao vom brasilianischen Nationalen Dienst für Industrielle Ausbildung (SENAI) als letztes Beispiel für KI in der Berufsbildung anderer Länder die Erkenntnisse einer Evaluierung der während Corona in Brasilien eingeführte kostenlosen adaptiven Lernplattform für die Ausbildung in Mechanik, Mechatronik und Automatisierung vor. Sie zeige, dass hybride Lehrmethoden und die Implementierung adaptiver Lerntechnologie in der beruflichen Bildung ein Erfolg sind und von den Studierenden akzeptiert werden. Denn die ständige individuelle Interaktion mit der Lernplattform ermögliche personalisiertes Lernen und erhöhe so den Lernerfolg und die Motivation. Daher ist adaptives Lernen besonders hilfreich für schwächere Studierende und große Klassen. Die Untersuchung ergab aber auch, dass die Lehrer ebenfalls Unterstützung und einen Lernprozess brauchten, um optimal mit der adaptiven Lernmethode umzugehen. Dazu komme, dass die Kursentwicklung teurer sei, da die Lehrkräfte verschiedene Arten von Ressourcen (Audio, Video, Text, Storytelling usw.) für dasselbe Lernziel entwickeln müssten. Darüber hinaus sei es notwendig, eine große Anzahl von Bewertungselementen (z. B. Quizfragen) für jedes Lernziel zu entwickeln, was ebenfalls einen erheblichen Aufwand für die Lehrkräfte bedeute und noch dazu den Unterricht langweiliger mache. In Abwägung der Vor- und Nachteile der adaptiven Plattform stellte Herr Leao fest, dass sich diese Lernmethode aus der Sicht von SENAI besonders für Einführungsmodule eigne, um sicherzustellen, dass alle Studierenden über das gleiche Grundlagenwissen verfügen.
Das Fachseminar hat bestätigt, die Nutzung Künstlicher Intelligenz hat ein großes Potential für die Weiterentwicklung der beruflichen Aus- und Weiterbildung. Da das Thema und die Ausschöpfung des Potentials global von Interesse ist und zur Lösung verschiedenster Probleme der beruflichen Bildung beitragen kann, sollte der Austausch zwischen den Ländern fortgesetzt, gemeinsam an Lösungen gearbeitet und das Lernen voneinander gestärkt werden.